Mittwoch, 27. Juli 2011

Nähe und Distanz




Sie kennen die Situation in einem überfüllten Bus oder im Lift: Die Menschen
stehen dicht neben einander und vermeiden jeden Körperkontakt, oft sogar den
Blickkontakt. Warum? Weil ihnen das zu nahe ist. Wir haben ein eigenes
Gefühl dafür, wie viel Raum wir brauchen und welcher Abstand für uns gut
ist.

Von Schopenhauer stammt die Parabel von den Stachelschweinen:
Es ist kalt. Einige Stachelschweine kommen zusammen, um sich gegenseitig zu
wärmen. Dabei geraten sie mit ihren Stacheln aneinander. Das tut weh, und
sie entfernen sich wieder voneinander. Weil ihnen aber bald wieder zu kalt
wird, rücken sie wieder näher zueinander. Das wiederholt sich mehrmals, bis
die Stachelschweine schliesslich die Entfernung herausgefunden haben, in der
sie sich gegenseitig wärmen können, ohne sich zu verletzen.

Manchmal möchten wir nicht mehr in der Nähe von anderen Menschen sein. Doch
kaum sind sie weg, merken wir, dass der andere uns fehlt. In jeder Familie
und Beziehung braucht es Zeiten der Nähe und Zeiten des Abstandes.

In einem Seminar habe ich einmal diese Übung gemacht: Zwei Personen stellen
sich in grossem Abstand zueinander auf. Dann geht eine Person auf die andere
zu bis diese "Stopp" sagt. Darauf werden die Rollen getauscht. Mit dieser
Übung wird erlebbar, wie das persönliche Bedürfnis nach Nähe und Distanz
sehr unterschiedlich ist. Die Nähe, in der es unangenehm wird, ist bei jedem
anders. Es gibt Unterschiede zwischen den Menschen, wie viel körperliche und
emotionale Nähe und Distanz sie brauchen, das gilt am Arbeitsplatz ebenso
wie in einer Partnerschaft.

Die Übung macht ebenfalls deutlich, dass auch in Alltagssituationen jedes
für seine eigene Grenze verantwortlich ist und dass wir dies auch unserem
Gegenüber klar sagen müssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen