Mit 60 Jahren sass meine Grossmutter mit mir am Tisch. Wir beide vor
Hausaufgaben. Sie hatte die Englischgrammatik und ein Wörterbuch
aufgeschlagen, ich begann im ersten Lesebuch die Buchstaben zu Wörtern
zusammenzufügen. Mich wunderte es doppelt, dass meine Grossmutter Englisch
lernte.
Erstens machte ich meine ersten Schulerfahrungen und war sehr erstaunt, dass
"so alte Leute" noch in die Schule gehen und lernen. Zweitens musste sie
doch längst Englisch können, beteten wir doch jeweils, wenn ich bei ihr in
den Ferien war, jeden Tag den "Englischen Gruss".
Jahre sind ins Land gezogen, ich spreche Englisch und weiss, was der
Englische Gruss oder Angelus ist, bete ihn aber kaum mehr.
Was mir aber von meiner Grossmutter geblieben ist, das ist die Gewohnheit,
den Tag zu unterbrechen oder durchbrechen mit einem Gebet. Wann immer es
sich ergibt, wende ich meine Gedanken zu Gott. Es sind kaum mehr die
Kirchenglocken, die mich dazu aufrufen. Es ist die Polizei oder der
Krankenwagen, die mit Blaulicht auf sich aufmerksam machen, die mich
innehalten lassen. Es ist die Freude an der Natur auf einem Waldspaziergang
oder beim Bad im See oder auf dem Velo unterwegs, die mir ein Strahlen in
die Augen legen und Gott danken lassen. Wenn ich von Krankheit und
schwierigen Lebenssituationen erfahre, dann durchbreche ich den Tag und
wende mich Gott zu. So gibt es täglich viel Gründe, den Tag zu unterbrechen.
Dann stelle ich Menschen und Natur bewusst unter Gottes Schutz, bitte um den
Segen Gottes für Mitmenschen und für mich. Und so hoffe ich, dass es auch
uns Menschen gelingt, Schutz und Segen zu sein für Mitmenschen und Natur -
mit der Hilfe Gottes.
Für diese kleine Geschichte Bedanken wir uns bei der Ökumenischen Bahnhof Kirche
am Züricher Hauptbahnhof.
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