Sonntag, 8. Mai 2011

Wunden – schmerzen und heilen


Liebe Schwestern und Brüder in Christi,
Liebe Freunde und Interessenten,

Zu Joh 20,19-31

Niemand möchte gern an etwas erinnert werden, was ihn einmal schwer getroffen und bloßgestellt hat; ER möchte diese Verwundung – egal ob körperlich, psychisch oder moralisch – lieber im Vergessen versinken lassen. Nicht verheilte Wunden berühren bedeutet neuen Schmerz für den Verwundeten.
Diese Erfahrung ist auch Thema unseres heutigen Evangeliums.
Die Jünger waren nicht nur verängstigt nach der Kreuzigung Jesu und befürchteten ein ähnliches Schicksal für sich; sie wussten sich auch des Verrates an Jesus schuldig, der sich an Judas wohl am deutlichsten zeigte. Sie hatten ihren Jesus im Stich gelassen trotz aller Treueschwüre. Und war der schmachvolle Kreuzestod ihres Meisters für sie nicht eine riesige Blamage in der Öffentlichkeit!? Sie waren einem Illusionisten gefolgt, einem Heiland, der seinen Wunden erlegen ist. Anderen hat ER geholfen, sich selbst konnte ER nicht helfen (Mt 27,42). Sie waren in mehrfacher Weise verletzt und konnten sich nur noch “wegschließen” und auf ein Vergessen hoffen.
Sie hätten bestenfalls seine Worte und Wundertaten in Erinnerung bewahren und der Nachwelt überliefern können, hätten aber schweigen müssen über sein klägliches Ende. Doch dann wären die Jünger Jesu betrogene Betrüger, die ihrer Sendung einen Bärendienst erwiesen hätten.
Um im Heute bestehen zu können, muss jedoch eine wichtige Bedingung erfüllt sein: Die Vergangenheit kann nur dann in rechter Weise “vergessen” werden, wenn sie bewältigt worden ist. Was unbewältigt verdrängt worden ist, kann nicht vergessen werden. Zu jeder Zeit kann die Erinnerung daran erneut hervorbrechen und frühere Wunden wieder öffnen. Ein ungutes Erlebnis, das wir nicht annahmen; eine Wohltat, für die wir uns nicht bedankten; eine Enttäuschung, die wir einem anderen zufügten und für die wir uns nicht entschuldigten; eine Schuld, zu der wir nicht stehen wollten; all dies und vieles andere mehr können Schlangenköpfe sein, die uns immer wieder unerwartet mit bedrohlichen Augen anschauen, um uns daran zu hindern, im Heute zu leben. Erst wenn es uns gelingt, mit all dem ins Reine zu kommen, werden wir uns voll und ganz auf die Gegenwart einlassen können. (Vgl. R. Stertenbrink, In Bildern und Beispielen, Bd. 1, Kap. 1, Herder-Verlag 1995)
Von Anfang an aber hielt die christliche Gemeinde gerade das Gedächtnis an den Tod Jesu lebendig. Sie folgte nicht dem Motto: ”Rühr nicht an die alten Wunden”, sondern legt immer wieder die Hand auf die Wundmale Jesu und verkündet seinen Tod.
Das war nur möglich, weil die Jünger erfahren haben: Jesus lebt tatsächlich. Er hat den Tod überwunden. Gott hat ihn erhöht
Er ist der Herr. Die Wunden Jesu sind nicht mehr Zeichen seiner Schmach und Erniedrigung, sondern Zeichen seines Sieges und Quellen des Heiles für alle Menschen. Auf dem Hintergrund seiner Erniedrigung leuchtet die Herrlichkeit des Auferstandenen auf.
Christus fordert den zweifelnden Thomas auf, seine Wundmale zu berühren:

Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände!
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (Joh 20,27)

So erfüllte sich die Prophezeiung des Hosea (8. Jh. V. Chr.):
Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn ER hat Wunden gerissen, ER wird uns auch heilen; ER hat verwundet, ER wird auch verbinden. Nach zwei Tagen gibt ER uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet ER uns wieder auf, und wir leben vor seinem Angesicht (Hos 6,1f).
So konnten auch die Jünger zu ihren Verletzungen stehen, was Paulus schlicht und einfach so erklärt:
Gott hat seine Liebe zu uns Darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren (Röm 5,8).
Und die Kirche lädt durch alle Zeiten die Menschen ein, den lebendigmachenden Geist aus den Wundmalen Des erhöhten Herrn zu empfangen.
Hat ER uns doch ein Ostergeschenk in unsere Hände gegeben, das die Sehnsucht Des ganzen AT erfüllt, das auch uns aus bösen Zwängen befreit und Mut schenkt für einen Neuanfang: Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben (Joh 20,23) - das Sakrament der Sündenvergebung.
Dieses Sakrament erniedrigt uns nicht, es lässt vielmehr unsere Erstkommunionkinder nach ihrer ersten Beicht fröhlich aus dem Beichtstuhl durch die Kirche hüpfen; es lässt uns alle trotz unserer Verwundungen wieder aufstehen und aufatmen. So können wir unsere Gegenwart I’m Osterlicht ohne neue Verletzungen gestalten und in unserer Welt ein glaubwürdiges Zeugnis für unseren auferstandenen Christus ablegen.
Wir sollten nicht länger zögern und zweifeln, wir sollten dieses wunderbare Ostergeschenk Des Auferstandenen annehmen und nutzen, damit Christus in uns, in unseren Gemeinden und in seiner und unserer Kirche auferstehen kann zur Rettung unserer mitunter aus Allen Fugen geratenen Welt. Dann könnten wir zusammen mit Petrus jubeln:
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben (1 Petr 1,3). Amen.

Mit diesen Worten wünsche ich Euch einen gesegneten Sonntag.
Brüderliche Grüße
+nnDnn+
++ Fr.Berthold

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