Dienstag, 17. Mai 2011

Unterwegs


Unterwegs

Ein wolkenloser Frühlingstag hatte viele wanderfreudige Menschen schon früh
morgens aufbrechen lassen. In aufgeräumter Stimmung sassen sie im Zug und
tauschten ihre vielfältigen Ziele und Wandererfahrungen unter einander aus.
Ihre Gespräche liessen bei mir Gedanken und Nachfragen zum Thema
Unterwegssein aufkommen. Dabei fand ich den folgenden Text der Theologin
Andrea Schwarz:

„Jesus zieht mit seinen Jüngern wandernd umher und sagt von sich selbst:
‚Die Füchse haben ihren Bau, die Vögel haben ihr Nest – aber der
Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen kann.’ Jesus ist ein
Wanderprediger, er ist unterwegs. Aus der Sicht eines Wanderers, von einem,
der unterwegs ist, ergeben die Seligpreisungen ... einen neuen und
überraschenden Sinn.

‚Selig, die arm sind’ – jeder Besitz bindet – und die Stossseufzer bei
bevorstehenden Umzügen sind gut bekannt: Wozu braucht man eigentlich diesen
Kram? Der Wanderer ist dankbar für wenig Gepäck, er sucht sich sehr
sorgfältig aus, was er mitnimmt und was er zurücklässt. Wer an seinem
Besitz, an seinem Reichtum hängt, dem fällt Aufbruch schwerer als dem, der
sich trennen kann, der loslassen kann. Für den Wanderer gilt tatsächlich:
Selig, der arm ist...

‚Selig, die hungern’ – wer aufbricht, losgeht, den treibt eine Sehnsucht,
der ist hungrig nach etwas, bei dem ist irgendwas unerfüllt, der ist
ausgerichtet auf ein Ziel. Wer satt ist, der bleibt daheim… 

‚Selig, die weinen’ – wer unterwegs ist, bei dem kommt etwas in Bewegung,
der wird berührbar, der lässt sich anrühren. Wer seine Sicherheiten aufgibt
und aufbricht, in die Fremde geht, der lässt sich aufbrechen – und das kann
ganz schön wehtun und da können die Tränen locker sitzen.

‚Selig, wenn euch die Menschen aus ihrer Gemeinschaft verstossen’ –
Menschen, die unterwegs sind, die nicht sesshaft sind, die waren schon immer
ein bisschen suspekt und eine Anfrage für die anderen. Wer sich auf den Weg
macht, schliesst sich aus der Gemeinschaft derer aus, die zu Hause bleiben –
und wird ausgeschlossen. Für diejenigen, die sich eingerichtet haben, sind
all diejenigen eine Zumutung, die aufbrechen, den Alltag verlassen, die
Sicherheiten aufgeben.“ 

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