Freitag, 27. Mai 2011

Gott gab uns die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt






Es gibt eine wunderschöne Bilderbuchgeschichte von der Schildkröte
Tranquilla Trampeltreu. Ich musste sie meinen Kindern, als sie klein waren,
wochenlang als Gute-Nacht-Geschichte vorlesen. Der gemäch-liche Rhythmus kam
den Kindern entgegen. Sie fragten nach, blätterten zurück und freuten sich
jeweils auf den nächsten Abend, um mit der Schildkröte ein neues Tages-
Abenteuer zu erleben. ‚Schritt für Schritt‘, so wie es Tranquilla, die
Ruhige, Bedächtige, unbeirrt jedem sagte, den sie unterwegs traf, immer mit
der festen Gewissheit, rechtzeitig anzukommen. Sogar von einer Schnecke
wurde sie ausgelacht. Diese machte sich nämlich erst gar nicht auf den Weg
und riet der Schildkröte, es ihr gleich zu tun und zuhause zu bleiben.

Notker Wolf, Abtprimas der Benediktiner, schreibt: „Alles zu seiner Zeit.
Das ist nicht nur eine Frage der Schnelligkeit oder Langsamkeit, sondern
einfach auch die Frage des Zurücknehmens von Druck, auch des Zeitdrucks. Es
ist die Befreiung der Zeit von blossem Nutzen- und Zweckdenken.“ Und Papst
Johannes XXIII meinte einmal, dass er sich vor zwei Dingen hüten wollte: vor
der Hetze und vor der Unentschlossenheit.

In meiner Tageszeitung gibt es wöchentlich eine Kolumne mit immer den-selben
Fragen an bekannte Persönlichkeiten. Eine davon lautet: „Was ist für
Sie wichtiger? Ein Ziel zu erreichen oder möglichst nichts zu verpassen?“
Wie würden Sie antworten?
Sicher kennen Sie „Mac drive“ von Mc Donald‘s, bei dem man sein Fastfood-
Menu fassen kann, ohne aus dem Auto zu steigen. Als Gegenpol gibt es heute
Slow food und Slow up, gerade weil wir oft so gehetzt sind, weil das
Lebenstempo immer rasanter wird. Wir können das Rad der Zeit nicht einfach
anhalten, bestimmt aber manchmal langsamer laufen lassen.

In einem Laden entdeckte ich eine grosse Tasse mit einem Spruch darauf:
‚Gott gab uns die Zeit. Von Eile hat er nichts gesagt‘. Wenn der Alltag
wieder
einmal besonders hektisch ist, denke ich an dieses Wort und setze bewusst
einen Schritt vor den andern.

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