Sonntag, 8. Mai 2011

Den Seinen immer nahe


Liebe Schwestern und Brüder in Christi,
Wenn man durch irgendein Ereignis, sei es positiv oder negativ, aus der Bahn geworfen worden ist, versucht man in der Regel wieder Boden unter die Füße zu bekommen; man geht ein Stück zurück, um wieder auf die alten Bahnen zu gelangen, auf denen man sich sicherer fühlt.
Genau das tut Petrus im heutigen Evangelium: Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot (Joh 21,3) – die alten Gewohnheiten, der alte Job, die alten Kollegen…
Petrus ist durch das jüngste Geschehen verunsichert – das rätselhafte Abendmahl, die peinliche Fußwaschung, die beschämende Schläfrigkeit und Feigheit der Jünger ihrem blutschwitzenden Meister gegenüber, der Verrat an ihm, an dem sie alle irgendwie teil haben. Auch fühlten sich die Jünger ziemlich ratlos gegenüber der Zukunft. Also kehren sie ins Gewohnte zurück.
Ähnlich reagierten ja schon die Emmausjünger.
Diese Aktion des Petrus aber vergrößerte nur den Frust:
In dieser Nacht fingen sie nichts (Joh 21,3). Hungrig und niedergeschlagen und ohne Frühstück streben sie dem Ufer zu. Was nun?
Nach dieser erfolglosen „Nachtschicht“ steht Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war (Joh 21,4). Sie erkennen ihn nicht. In ihrem Alltag gibt es noch keinen rechten Platz für den Auferstandenen.
Jesus bittet die Jünger um etwas zu essen. Das gehört zum Geheimnis Jesu, des Auferstandenen, zur Demut Gottes: Er bittet die Menschen um ihren Einsatz: Werft das Netz auf der rechten Seite Des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es (Joh 21,6). Dieses Neue drängt sich ihnen wiederum auf. Jesus geht ihnen nach – in ihre Alltagswelt hinein – mit seinem Wort, das ihnen seinen „Reichtum“ aufschließen soll. Nun erinnern sich die Fischer an ihr Wanderleben auf den Straßen Palästinas zusammen mit Jesus – sie sind doch seine Jünger.
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr!
Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete ER sich das Obergewand um, weil ER nackt war, und sprang in den See (Joh 21,7). Johannes erkennt seinen Meister und Petrus seine „Nacktheit“ – zwei gute Sichtweisen für aufmerksame Jesus-Jünger.
Nun lädt Jesus sie ohne Vorwürfe ein zum Mahl: Kommt her und esst! (Joh 21,12).
Immer klarer wird die „neue Situation“: Die Jünger begegnen dem österlichen Christus. Er will den Seinen immer nahe sein und zu seiner Hingabe für sie stehen, die mit dem Mahl, zu dem ER einlädt, angedeutet wird: Jesus nahm das Brot und gab es ihnen (Joh 21,13) – wie beim letzten Abendmahl vor seinem Leiden und Sterben – dort lesen wir:
ER nahm Brot, sprach das Dankgebet, Brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird (Lk 22,19a).
Nichts konnte ihn abbringen von seinem Lebensweg der selbstlosen Liebe, auch wenn sie ihn letztlich ans Kreuz brachte. So wurde ER zum wahren Brot, das sich für die Seinen hingibt, damit sie leben:
Das hat Jesus seinen Jüngern schon in Kafarnaum versucht zu sagen:
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt (Joh 6,51).
Jesus hat uns aufgetragen: Tut dies zu meinem Gedächtnis! (Lk 22,19b) – damit wir eben nicht in Verunsicherung und Frust untergehen, sondern uns erinnern an seine ständige Gegenwart, an sein Wort, an seine selbstlose Liebe.
Deswegen ist Kirche zuallererst Eucharistiegemeinschaft. Dort ereignet sich das Neue, das die Kirche von Allen anderen Gemeinschaften unterscheidet. Gott rührt uns an. Gott gibt sich uns. Gott wird unser Brot, so dass wir anfangen, von ihm zu leben und damit überhaupt zu leben. Zeit und Ewigkeit durchdringen sich, in unsere Zeit tritt das herein, was stärker ist als der Tod. Wir empfangen eine Nahrung, die bleibt und uns ins Bleibende hineinführt. So werden wir Gemeinschaft von der Eucharistie, vom Ostergeheimnis des gestorbenen Weizenkorns her.
Als Jesus die Jünger bittet, kennen sie ihn noch nicht. Sie müssen dem hungernden Unbekannten geben. Erst wenn sie selbst dieses Geben lernen, reift in ihnen die Liebe, die sie aufnahmefähig macht für „das Neue“, für das ganz andere Brot, das Gott uns in Christus selber gibt.
Die soziale Dimension ist der Eucharistie nicht von außen her angehängt, sondern sie ist der Raum, ohne den sich Eucharistie überhaupt nicht bilden kann.
So war es ja auch bei der Brotvermehrung gewesen: Zuerst musste der Bub die Gaben seiner Mutter – fünf Brote und zwei Fische – weitergeben; dann musste jeder einzelne von dem, was gerade nur für ihn zu reichen schien, austeilen. So geschah Brotvermehrung. So geschieht sie immer. Und darin vollzieht sich noch Tieferes: Die Jünger, die ausfahren, um für Jesus Fische zu fangen, müssen im Grunde sich selber geben. Erst wer sich selber gibt, entdeckt, dass ihm alles schon geschenkt ist, dass er immer nur gibt von dem, was er selbst empfangen hat. Zuerst müssen wir uns selber geben, um dann Gottes Gabe zu empfangen. Somit treten wir ein in einen Kreis der Beschenkten. Am Ende kommt alles von Gott. Und doch kann Gottes Gabe uns nicht erreichen, wenn wir nicht zuerst selber Gebende geworden sind. Am Ende ist alles Gnade, denn die großen Dinge der Welt, das Leben, die Liebe, Gott, die kann man nicht machen, die kann man nur geschenkt bekommen. Und doch können wir nur dann beschenkt werden, wenn wir selbst Schenkende sind. Nur indem wir schenken, werden wir beschenkt; nur indem wir folgen, werden wir frei; nur indem wir opfern, empfangen wir, was wir durch nichts verdienen können.
Ein solches Ostern würde unserer Welt zeigen, dass wir in Wahrheit Erlöste sind durch den, der für uns gekreuzigt, gestorben und auferstanden ist. Amen.
Euch einen gesegneten Sonntag.
Brüderliche Grüße,
+nnDnn+
++ Fr.Berthold

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