Montag, 9. Mai 2011

Gastfreundschaft


Gastfreundschaft

Das Stichwort „Gastfreundschaft lässt uns nicht gerade vor Spannung
aufspringen. Aber es klingt doch gut im Ohr. Warum würde sonst damit Reklame
gemacht, etwa in Ferienprospekten? Man verspricht Gastlichkeit und hofft
damit, die Touristen zu gewinnen. In vielen Touristenzentren stehen beim
Ortseingang Tafeln „Willkommen in unserer gastlichen Stadt“ und beim
Ortsausgang „Wir danken für Ihren Besuch“.

Warum hat das Wort „Gastfreundschaft“ einen so guten Klang? Sicher nicht
deswegen, weil die Gastfreundschaft für handfeste Geschäftsinteressen
missbraucht werden kann. Wohl auch nicht, weil man mit einer grosszügigen
Einladung und einem selbstgekochten Nachtessen angeben kann. Es geht
vielmehr um den Gast selber. Ihm, dem Fremden, soll ich als Mensch begegnen.
Er darf mein Gast, mein Gesprächspartner, mein Freund sein.

Es fällt nicht immer leicht, gastfreundlich zu sein. Ich muss mir manchmal
einen gehörigen Ruck geben, um einen unerwarteten Gast freundlich
aufzunehmen, nachdem ich mich gerade für eine gemütliche halbe Stunde
hingesetzt habe oder mein Tagesprogramm bereits ausgelastet ist. Aber ich
mache immer wieder die Erfahrung, dass dann, wenn es mir gelungen ist, für
einen ungelegenen Besuch oder einen unbekannten Menschen einfach dazusein,
die aufgebrachte Zeit nicht verloren war. Dadurch, dass ich für den Gast wie
für einen Freund da gewesen bin, bin ich selber zum Beschenkten geworden.

Es gibt viele Möglichkeiten und Formen, die Gastfreundschaft zu üben. Sie
kann manchmal ganz einfach darin bestehen, dass ich einem Menschen, der mit
der Last seiner Sorgen oder mit der Überfülle seiner Eindrücke zu mir kommt,
aufmerksam und geduldig zuhöre. Je gastlicher wir sind, d.h. je offener wir
für die Anliegen unserer Mitmenschen sind, umso mehr werden wir selber
beschenkt.

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