Mittwoch, 3. August 2011

Ein Versuch, mich im Unrat der Zeit zu finden




Wie alle, die die Nachrichten vom Morden in Oslo haben zur Kenntnis nehmen
müssen, war auch ich entsetzt und wie gelähmt. Entmenschlichtes Handeln. Und
doch gehört es irgendwie in die tiefsten Abgründe menschlichen Wesens. Es
ist schockierend genug, dass Menschen immer noch bereit sind, unschuldiges
Blut zu vergiessen, um vermeintlich zu retten. Noch schockierender
ist, dass ich davon ausgehen muss: Die Begründungen sind christlich
eingefärbt und das Banner des Kreuzes wird dazu hochgehalten. Da ist
Christus am Kreuz gestorben. Von ihm sind bis auf die Vertreibung von
Geschäftemachern aus dem Vorhof des Tempelareals keinerlei Gewalttaten
bekannt, geschweige denn, dass er gefoltert oder getötet hätte. Und der
Glaube an diesen Erlöser soll nun als Begründung für Mord herhalten.
Das ist pervers.
Wie kann ich dem begegnen, ausser, dass ich mich lähmen lasse? Christlicher
Alltag sieht anders aus, menschlicher Alltag ebenso.
So grosses Unrecht treibt auf die Strasse, sichtbar vor aller Welt stehen
die Menschen zusammen. Das tut gut. Gemeinsam erfahren wir so eine Kraft,
die aus dem Miteinander entsteht: Ein Aufruf zur Liebe! Ein Aufruf zu
gegenseitigem Respekt, der über die Grenzen von Kultur, Religion, Glaube und
Sprache hinweg, uns zusammenführt.
Christlich gesprochen: Wir weigern uns, den Brudermord als Zeugnis
christlichen Glaubens anzuerkennen und bekennen uns zu einem Glauben, der
Respekt gegenüber dem Mitmenschen hochhält. Nehme ich meinen Glauben an Gott
ernst, der für mich wie ein Vater, wie eine Mutter ist, nehme ich meinen
Glauben an Gott, den Sohn ernst, der mir als Bruder begegnet, nehme ich
meinen Glauben an Gott, die heilige Lebenskraft ernst, dann sind meine
Mitmenschen nichts anderes als meine Brüder und Schwestern, die mit mir das
Leben geschenkt bekommen haben, es zu umsorgen und zu erhalten. Und das
schliesst alles aus, was dem widerspricht.

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